Zufällig hatte man in diesem Hohen Haus von der Existenz dieses Schreibens erfahren. Weder leitete es Herr Bundestagspräsident an die Abgeordneten des zuständigen Fachausschusses weiter noch beantworteten er dieses Schreiben. Im Brief wurde vorgeschlagen, eine deutsch-russische Arbeitsgruppe zu bilden, um den Fortgang der Ermittlungen im Fall Nawalny gemeinsam zu begleiten.
Einen offenen Brief sowie die Erklärung der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission gab es dann als Antwort von mir und meinem Kollegen Dr. Robby Schlund, MdB.
Fall Navalny – Offener Brief an den Bundestagspräsidenten
Sehr geehrter Herr Schäuble,
am 24.09.2020 veröffentlichte die Staatsduma einen offenen Brief an Sie, in dem unter anderem der Wunsch geäußert wird, im Rahmen einer gemeinsamen interparlamentarischen Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Abgeordneten des Bundestages und der Staatsduma den Fortgang der Ermittlungen im Fall Navalny zu begleiten.
Diese Idee war auch Gegenstand der Diskussion der Mitgliederversammlung der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe, zu der ich als Vorsitzender am 08.10.2020 kurzfristig gebeten hatte. Zu dieser Sitzung waren auch die Verfasser des Briefes, im Rahmen einer Videokonferenz eingeladen, um uns ihren Standpunkt und ihre Argumente mitzuteilen.
Die Anhörung von Fakten und Argumenten aller beteiligten Seiten zur Informationsgewinnung, neutral und unabhängig von politischen Überzeugungen, ist meines Erachtens, Grundverpflichtung eines gelebten demokratischen Parlamentarismus und Grundwerkzeug einer freien und faktenbasierten Entscheidungsfindung und eines konstruktiven Dialogs. Zu diesem Dialog, mit dem Ziel, einen Minimalkonsens im Interesse Deutschlands zu erarbeiten, hat uns der Wähler mit seiner Stimme einen eindeutigen verpflichtenden Auftrag erteilt.
Im Ergebnis der Sitzung waren sich alle anwesenden Parlamentarier darüber einig, dass ein konstruktiv geführter Dialog, u.a. auch im Format einer interparlamentarischen Arbeitsgruppe, das Vertrauen in die guten Deutsch-Russischen Beziehungen stärkt, statt sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Aus diesem Grund möchte ich Sie ehrlich und eindringlich bitten, den Brief bis zum Ende der Woche nicht unbeantwortet zu lassen und Mittel und Wege zu finden, deeskalierend einzuwirken und sich dafür einzusetzen, dass die Rechtshilfeersuchen der russischen Föderation bearbeitet werden. Lassen Sie es bitte nicht zu, dass der konsensorientierte diplomatische Dialog, auch in schwierigen Zeiten abzubrechen droht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Robby Schlund
Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe
Erklärung der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission der AfD-Bundestagsfraktion im Fall Nawalny
Sehr geehrte Mitglieder der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission,
eines der Themen der gestrigen Bundestagssitzung war der Fall rund um den russischen Aktivisten, Kremlkritiker und Blogger Alexej Nawalny, der sich derzeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik aufhält. An der Sitzung des Parlaments nahm auch der deutsche Außenminister Heiko Maas teil, der über den derzeitigen Sachstand und Lage im Nawalny-Fall sowie über den damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Stand der deutsch-russischen Beziehungen berichtete.
Wir, die Mitglieder der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission, halten es in einer solch angespannten diplomatischen Lage für dringend geboten, unsere politische Position und Sichtweise auf die Vorkommnisse im Fall Nawalny darzulegen.
Erstens hatte sich der Vorfall mit Herrn Nawalny auf russischem Boden und mit einem Bürger der Russischen Föderation zugetragen. Folglich ist die Ermittlungsarbeit ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit russischer Strafverfolgungsbehörden wie der russischen Staatsanwaltschaft.
Zweitens betreiben Länder wie Deutschland, Frankreich oder die EU einseitige Aufklärungsarbeit, kooperieren nicht ordnungsgemäß mit russischen Stellen, verstoßen damit gegen die innerstaatliche Gesetzgebung Russlands, mischen sich in russische innerpolitischen Angelegenheiten ein und bringen neue Sanktionen ins Spiel, ehe die Ermittlungen abgeschlossen und dieabschließende Aufklärung des Falls stattgefunden haben.
Drittens sollte Deutschland darauf bedacht sein, überparteiliche Neutralität zu bewahren statt und das deutsch-russische Vertrauensverhältnis weiterhin zu zerschlagen. Weitere Konfrontationen und einseitige feindselige Stimmungen in Bezug auf Russland gefährden nicht nur den Frieden in Europa, sondern stellen eine Bedrohung für die gesamte globale Weltordnung dar.
Dieser Sackgassenansatz könnte interessierten Ländern die
Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit entziehen, auch im Bereich der
europäischen Sicherheit und Zusammenarbeit.
Viertens müssen sich sowohl die russische als auch die deutsche Außenpolitik
vor voreingenommenen und unüberlegten politischen Entscheidungen in Acht nehmen
und dabei ein ausgewogenes Kräfteverhältnis sowie eine neutrale, unparteiische
Haltung aufrechterhalten.
Fünftens sollte Deutschland die Rolle eines ehrlichen Maklers einnehmen und eine produktive, transparente und effiziente Untersuchung des Falls Nawalny ermöglichen.
Sechstens müssen übereilte politische Entscheidungen wie die Einführung von Sanktionen gegen Russland abgelehnt werden.
Wir, die Mitglieder der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission, bedanken uns bei dem medizinischen Personal in Russland und Deutschland, welches maßgeblich zu der Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustandes von Herrn Nawalny beigetragen hat und wünschen Herrn Nawalny baldige und vollständige Genesung!
Mit freundlichen Grüßen
Waldemar Herdt, MdB
Sprecher der Interparlamentarischen Menschenrechtskommission
STAATSDUMA
DER FÖDERALEN VERSAMMLUNG DER RUSSISCHEN FÖDERATION SIEBENTE LEGISLATUR
AUSSCHUSS FÜR SICHERHEIT UND KORRUPTIONSBEKÄMPFUNG
ul. Ochotny rjad, d. 1, Moskau, 103265 Tel. 8(495)692-89-32 Fax: 8(495)692-95-71 E-Mail: csecurity@duma.gov.ru
24. September 2020
An den
Präsidenten des
Deutschen Bundestages Herrn Dr. Wolfgang Schäuble
Sehr geehrter Herr Präsident,
Nr.: 3.15-36/1669
der Ausschuss der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation für die Untersuchung von Fällen der Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten Russlands kommt im Ergebnis eines Monitorings zu dem Schluss, dass die von westlichen Medien und einer Reihe deutscher Politiker entfachte massive Kampagne im Zusammenhang mit der angeblich gezielten Vergiftung des Bloggers A. Nawalny durch Russland vorsätzlichen Charakter trägt, auf die Auslösung einer Konfrontation gerichtet ist und dem Ausbau der deutsch-russischen Beziehungen Schaden zufügt.
Mit Bedauern stellen wir fest, dass die im Zusammenhang mit der Erkrankung und dem Krankenhausaufenthalt A. Nawalnys u. a. seitens der deutschen Bundesregierung gegenüber Russland erhobenen haltlosen Anschuldigungen und gestellten Ultimaten nunmehr das von mehreren Generationen russischer und deutscher Politiker unter großem Einsatz errichtete solide Gerüst unserer Beziehungen zerstören. Besonders betrüblich ist, dass dies im Jahr des 65. Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland (1955), des 50. Jahrestages des Abschlusses des Moskauer Vertrags (1970) und des 30. Jahrestages des Abschlusses des Vertrags über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland („Zwei-plus-Vier-Vertrag“, 1990) geschieht, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Kern zu Friedensverträgen zwischen unseren Ländern wurden. Das kluge Auftreten von Politikern beider Länder hat in der Vergangenheit wichtige Schritte zur Aussöhnung der Völker Russlands und Deutschlands möglich gemacht.
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In der Vergangenheit haben wir uns oft mit Kollegen aus dem Bundestag auf bilateraler Ebene und in internationalem Rahmen getroffen und unsere Strafverfolgungsorgane haben in unterschiedlichen Fragen zusammengearbeitet. Wir sind zu einer solchen Zusammenarbeit auch in der Zukunft bereit. In diesem Sinne schlagen wir im Rahmen der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über den Fortgang der Ermittlungen im Fall Nawalny die Schaffung einer gemeinsamen Kommission oder Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Abgeordneten des Bundestages und der Staatsduma vor.
Wir hoffen, dass die Abgeordneten des Bundestages alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um die Bundesregierung zu unabhängigen Ermittlungen in ihrem Land und zur Zusammenarbeit mit Russland zu bewegen, das in dieser Frage maximale Transparenz offenbart.
Wir rufen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, auf, gemeinsam nach vernünftigen Lösungen zu suchen, auf deren Grundlage wir das heute bestehende Fundament unserer Zusammenarbeit erhalten und die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und humanitären Beziehungen im Interesse der Völker Russlands und Deutschlands ausbauen können.
Der Ausschussvorsitzende und Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Einiges Russland (gez. Unterschrift)
W. I. Piskarjow Ausschussmitglieder:
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende und Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Einiges Russland
(gez. Unterschrift)
A. G. Alschewskich
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende und Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Gerechtes Russland
(gez. Unterschrift)
N. I. Ryschak
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende und
Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Kommunistische Partei der Russischen Föderation (gez. Unterschrift)
J. P. Sinelschtschikow
Die Abgeordnete der Staatsduma von der Fraktion Einiges Russland (gez. Unterschrift)
I. W. Belych
Der Abgeordnete der Staatsduma von der Fraktion Einiges Russland (gez. Unterschrift)
A. K. Issajew
Der Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Kommunistische Partei der Russischen Föderation (gez. Unterschrift)
R. D. Kurbanow
Die Abgeordnete der Staatsduma von der Fraktion Einiges Russland (gez. Unterschrift)
N. W. Poklonskaja
Der Abgeordnete der Staatsduma
von der Fraktion Liberaldemokratische Partei Russlands (gez. Unterschrift)
D. I. Saweljew
Der Abgeordnete der Staatsduma von der Fraktion Gerechtes Russland (gez. Unterschrift)
A. W. Tschepa
Der Abgeordnete der Staatsduma von der Fraktion Einiges Russland (gez. Unterschrift)
A. L. Schchagoschew
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